Mein innerer Kasper

Montag, 19. Dezember 2005

...

Hallo, wer bist du denn?

Ich bin der Kasper.

Wer?

Dein innerer Kasper.

Der, der mich nicht schlafen lässt?

Der, der mich herumzappeln lässt?

Ja, siehst du, du kennst mich.

Aber wo kommst du denn her?

Ich komme nicht, ich bin.

Du bist?

Ja, ich bin…in dir.

Aber warum konnte ich dich nicht sehen?

Weil du mich nicht wahrgenommen hast.

Wie sollte ich das denn machen?

So wie jetzt.

Was habe ich denn gemacht?

Du hast in dich gehört.

Ich habe dich nicht gehört.

Das stimmt, darum musste ich mich bemerkbar machen.

Aber warum grade jetzt?

Weil du nicht auf deine innere Stimme hörst.

Vielleicht ist sie zu leise gewesen?

Du weißt, dass es eine Ausrede ist.

Ja, Kasper. Du hast Recht.

Gut, dass du es einsiehst.

Lass mich dich führen!

Und was willst du?

Dir behilflich sein.

Bei was denn?

Frage nicht, lass mich dich führen.

Aber wenn ich nicht will?

Warum solltest du nicht wollen?

Woher soll ich wissen, dass du mir nichts Schlechtes willst.

Lenk nicht ab! Du spürst es.

Warum kann ich dir nichts vormachen?

Weil ich zu dir gehöre und dich kenne.

Wie soll ich dich anreden?

Ist es nicht nebensächlich? Es ist wird nur ein Name sein. Wenn es dir hilft, dann tu es.

Nein, Namen und Zahlen sind nicht wichtig. Es sind nur Symbole. Du bist mein „innerer Kasper“ und nichts weiter.

Siehst du, du lernst schnell. Es ist nicht wichtig.

Wir müssen reden!

Und jetzt sagst du mir, was du von mir willst?

Das sagte ich dir bereits.

Ja, dass du mich führen willst.

Aber wohin? Und warum?

Sind das nicht zu viele Fragen auf einmal?

Habe ich nicht das Recht zu fragen?

Doch, das hast du.

Bist du „Ich“ und bin ich „Du“?

Klingt das nicht albern und zu kompliziert?

So bin ich aber.

Ja, über diese Aussage oder sollte ich Ausrede sagen, müssen wir mal reden.

Warum das denn?

Machst du es dir damit nicht zu einfach? Immer sagst du, dass du so bist. Das wollen wir doch ändern. Darum bin ich da.

Kasper, Du nervst mich aber.

Ja, das ist auch der Zweck. Ich werde dich nerven bis wir wieder eins sind.

Meinst du nicht, dass das länger dauern kann?

Sicherlich, wird es nicht von Heute auf Morgen gehen, aber wir haben Zeit.

Und was hattest du schon gelernt? Namen und Zahlen sind nicht wichtig, bei dem, was wir vorhaben, genau so ist es mit der Zeit.

Ich sollte dich mal wieder schütteln

Bist du da, Kasper?

Ja, bin ich.

Was gibt es denn?

Ich habe Sorgen.

Was für welche denn?

Ich vernachlässige meine Kinder.

Was machst du denn?

Ich mache nichts und das ist es ja. Sie haben Ferien und ich muss arbeiten.

Und was macht dir Sorgen?

Na ja, alle Kinder unternehmen etwas oder verbringen die Zeit mit den Eltern. Ich muss arbeiten und sie allein lassen.

Aber sind sie nicht schon groß?

Ja, das sind sie, aber ich fühle mich schlecht dabei. Anstatt mit ihnen etwas zu unternehmen, muss ich Geld verdienen.

Ich verstehe deine Gefühle.

Und? Was kannst du mir dazu sagen?

Das ich dich und deine Gedanken verstehe.

Aber das hilft mir nicht weiter.

Bin ich denn da, um dir immer einen Weg vor zu schlagen?

Ich dachte mir das so.

Nein, da irrst du dich. Ich werde dir zur Seite stehen, mir deine Sorgen, Ängste und Gedanken anhören, aber ich werde dir nicht immer eine Lösung vorschlagen.

Wirst du nicht?

Nein, denn du möchtest doch weiter kommen.

Ja, das will ich.

Siehst du, und das würde nicht gehen, wenn ich dir immer Vorschläge machen würde, die du dann umsetzt.

Na ja, das hilft mir nun aber gar nicht weiter.

Doch, das wird es.

Wie denn?

Lass es uns doch einmal gemeinsam überlegen.

Du hast ein schlechtes Gewissen, weil du arbeiten musst und nicht mit den Kindern etwas unternimmst.

Richtig!

Warum unternimmst du nichts?

Weil ich arbeiten muss.

Warum gehst du arbeiten?

Um Geld zu verdienen.

Was machst du mit dem Geld?

Ich zahle damit die Rechnungen.

Und was bekommen deine Kinder davon?

Sie bekommen Taschengeld, ich zahle die Freizeitunternehmungen, kaufe Eis und Sachen.

Was für Sachen?

Na Sachen zum anziehen, Kleidung.

Ist das denn wichtig? Kleidung?

Na klar, es wird Winter und wenn sie keine neuen Schuhe, Jacken und Hosen bekommen, dann erfrieren sie und werden krank.

Du machst dir Sorgen um sie?

Natürlich.

Siehst du!

Was denn?

Auch wenn du nicht so viel Zeit mit ihnen verbringen kannst, denkst du an sie.

Ja, das tu ich und ich habe ein schlechtes Gewissen.

Lies doch noch einmal, was du geschrieben hast.

Was denn?

Du sorgst für sie, kaufst ihnen Kleidung, gibst ihnen Taschengeld und kümmerst dich, wenn du noch Restzeit hast.

Ist das nichts???

Doch, aber es reicht nicht?

Wozu?

Eine gute Mutter zu sein.

Und du denkst, dass man nur eine gute Mutter ist, wenn man Zeit mit den Kindern verbringt?

Ja.

Überdenke noch einmal deine Antwort.

Das brauche ich nicht.

Ich glaube, liebe Frau Kasper, dass ich dich mal wieder schütteln sollte.

Wozu denn?

Damit du es auch von einer anderen Seite sehen kannst.

Von welcher denn?

Wer ist denn immer für die Kinder da?

Ich.

Wer macht sich Sorgen um sie?

Ich.

Wer pflegt sie, wenn sie krank sind?

Ich.

Wer gibt ihnen zu essen, Kleidung, Taschengeld?

Ich.

Wer hört ihnen zu?

Ich.

Wer lobt sie?

Ich.

Und wer ist stolz auf sie?

Ich.

Siehst du.

Was denn?

Du kannst nicht alles machen, auch wenn du es gern möchtest.

Ich kann es versuchen.

Was denn? Das Unmögliche zu schaffen? Es allen gleich zu tun? Das wird dir nicht gelingen. Du tust, was du kannst.

Aber ich kann bestimmt noch mehr.

Ja, könntest du das?

Vielleicht habe ich mich nur nicht richtig bemüht.

Denkst du auch daran, dass du das alles allein machst? Und jetzt möchtest du Dinge machen die man nicht schaffen kann, wenn man allein ist.

Ach Kasper, ist das nicht eine wunderbare Ausrede?

Nein, ist es nicht. Und du weißt es.

Weiß ich es?

Ja. Sei ehrlich mit dir, du kannst mir nichts vormachen.

Lass und weinen!

Lass uns reden Kasper!

Wenn du es möchtest, gerne. Und worüber möchtest du reden?

Ich habe viele Fragen, die mich beschäftigen.

Ich höre zu. Fang an!

Wo warst du, als ich dich in meiner Kindheit brauchte?

Wo warst du, als ich gefangen und verschleppt in einer Wohnung war?

Wo warst du, als ich mich um meine Brüder kümmern musste?

Wo warst du, als ich meinen Großvater pflegen musste?

Wo warst du, als ich verprügelt wurde?

Wo warst du, als ich mir das Leben nehmen wollte?

Wo warst du, als ich Krebs hatte?

Und: warum bist du jetzt stumm? Sagst nichts?

Ich höre mir deine Anklagen an.

Und? Mehr sagst du nicht dazu?

Ich kann grade nicht reden, ich weine.

Du weinst?

Ja, ich weine, weil du so schreckliche Dinge erleben musstest.

Und?

Weine mit mir!

Ich kann nicht, denn ich habe keine Tränen mehr.

Dann weine ich sie für dich.

Geht das denn?

Hast du es schon vergessen? Wir gehören zusammen!

Nein, ich habe es nicht vergessen. Ich kann es nur nicht glauben.

Rede nicht so viel und mache Dir nicht zu viele Gedanken. Lass uns jetzt zusammen weinen!

Den Rest erledigen wir später.

Lass dich finden!

Was ist los mit dir?

Ich suche etwas?

Hast du etwas verloren?

Ich weiß es nicht.

Du suchst etwas und weißt nicht, ob du etwas verloren hast?

Ja. Nein. Jein.

Auch bist du wieder kompliziert.

Bin ich nicht.

Und unhöflich.

Quatsch!

Also, was ist? Was suchst du?

Wenn ich es dir erzähle, dann wirst du lachen.

Wenn es lustig ist, dann bestimmt.

Ich suche den SCHLAF.

Das kenne ich doch.

Es gab da mal ein Mädchen, das die ZEIT suchte, also warum sollte ich lachen, wenn du den SCHLAF suchst.

Weil es albern und unsinnig ist.

Unsinnig? Dann würdest du nicht suchen.

Irgendwo muss er doch sein.

Hattet ihr denn Streit?

Kasper, sei nicht albern!

He, ich bin der Kasper und ich darf das.

Also hilf mir suchen!

Gib mir einen Tipp und ich fange an.

[Kasper zaubert einen Hut hervor, setzt ihn auf und fängt an, Fragen zu stellen.]

Wo haben sie ihn zuletzt gesehen.

Gesehen? Ich habe ihn noch nie gesehen.

Sie vermissen etwas und haben es noch nie gesehen? Sie machen sich verdächtig.

Ich kann ihn doch nicht sehen, er ist unsichtbar.

Unsichtbar, so so.

Ja, ist er. Er kommt, wenn er meint, dass ich ihn brauche.

STOP!

Er kommt und geht, wann er will?

Ja, das sagte ich doch.

Wann haben sie ihn zum letzten Mal nicht gesehen?

Das war vor vier Tagen.

Ist ja schon eine Weile her.

Haben sie sich gestritten?

Nein.

Hat er sich, als er verschwand, komisch verhalten?

Ich glaube nicht.

Sie glauben nicht? Das muss ich schon etwas genauer wissen.

Na ja, wir verbrachten die Nächte nicht viele Stunden zusammen.

Es kieselte schon?

Ach Kasper, das ist albern!

Spiel doch mit!

Schon gut, mach ich.

Ja, Kommissar Kasper. Es geht schon einige Jahre so.

Wann hat das Angefangen?

Mit der Schwangerschaft des dritten Kindes.

Ist denn davor etwas vorgefallen?

Ja, ich hatte Krebs, trennte mich vom „Erzeuger“ und bekam die Botschaft, dass ich ein zweites Mal Krebs habe.

Das sind viele Faktoren, die wir berücksichtigen müssen.

Und in der Schwangerschaft gingen der SCHLAF und sie getrennte Wege.

Wir waren nicht mehr so oft zusammen.

Und fanden sie es nicht bedenklich?

Nein, denn ich hatte genug mit anderen Dingen zu tun und es fiel mir zu der Zeit gar nicht auf.

Kann ich verstehen.

Aber das hilft uns nicht weiter oder?

Nein, aber ich gebe nicht auf!

Das hoffe ich, denn ich will ihn wiederhaben.

Kann ich verstehen, denn sie verbringen schon ein paar Jahrzehnte zusammen.

So deutlich hätten sie das nicht erwähnen müssen.

[Kasper kichert.]

Haben sie ihn schon einmal gerufen?

...und noch andere Dinge habe ich versucht.

Was denn?

Ich habe versucht ihn zu „verführen“ und zu locken.

Mit was denn?

Mit Tabletten, mit Entspannung, mit Lesen, Beruhigen, Musik, Atemübungen, guten Gedanken, einem virtuellen-sichern Ort...

Das sind ja wirklich viele Dinge. Und noch immer ist er nicht da.

Nein, sonst würde ich ihn nicht suchen.

Wie wäre es, wenn wir die Suche aufgeben?

Und dann?

Warum lassen sie sich nicht finden?

Mich finden lassen?

Kasper, jetzt ohne Quatsch und ohne Hut (der sowieso albern aussieht). Wie meinst du das?

Mach dir nicht so viele Gedanken um das Finden des SCHLAFES.

Verschwende keine Energien darauf, denn die brauchst du momentan für andere Dinge.

Lass dich finden.

Wenn er dich vermisst, dann besinnt er sich und kommt zurück.

Glaubst du wirklich?

Einen Versuch ist es doch wert.

Auf jeden Fall.

Siehst du...Fall gelöst.

Es ist eine große Schuldfamilie!

Ich bin mies.

Was bist du?

Na, ich bin ja so doof.

Warum?

Ich denke wieder zu viel.

Kann man doof sein, wenn man denkt?

Ich denke: ja.

Nein, bestimmt nicht.

Und ob.

Was ist denn los? Was ist passiert?

Nichts.

Nichts ist passiert und du fühlst dich mies. Alles klar.

Gut.

Höre auf, nichts ist Gut!

Hast ja Recht.

Was ist passiert? Du siehst mir nicht nach „Nichts“ aus.

Es wird dich nerven.

Woher willst du wissen, was mich nervt.

Lass mich es doch entscheiden!

Sie sind wieder da.

Wer denn? Die Alpträume?

Nein, schlimmer.

Was ist denn genauso schlimm oder schlimmer?

Die Schuldgefühle.

Ach die schon wieder.

Ja, sie waren schon eine Weile verschwunden.

Ich weiß.

Und nun sind sie wieder da.

Wie kam es?

Ich las etwas darüber.

Dann lass das Lesen sein.

Warum?

Weil es Erinnerungen hervorrufen kann.

Und was ist schlimm daran?

Sie tun die nicht gut.

Aber sie gehören zu mir.

Ja, aber sie sind nicht willkommen.

Nein, das sind sie nicht.

Siehst du.

Die Frage wird mich ein Leben lang beschäftigen.

Warum???

Sie beschäftigt nicht nur dich. Jeder stellt sich diese Warumfrage.

Stimmt, aber bei mir ist es eine ganze Warumfamilie.

Warum versuchen wir nicht, sie zu Freunden zu machen?

Wie soll das denn gehen?

Ich weiß es auch nicht so genau.

Du weißt doch dass ich meine Familie auch nicht mag und wenn sie dann zur Familie gehören, dann werde ich sie auch nicht mögen.

Das sagte ich auch nicht. Aber du könntest sie kennen lernen. Dann sie erkennen und du wirst wissen, was gegen sie zu unternehmen ist.

Vielleicht wirst du die Möglichkeit haben, mit ihnen zu sprechen.

Das wird ein schwerer Weg werden.

Ich weiß und warum sollte es leicht werden, es ist eine große Schuldfamilie.

Das weiß ich.

Du bist schlau.

Fragt sich nur, ob ich schlau genug für sie bin.

Mach dich nicht immer so herunter!

Mache ich doch gar nicht.

Doch machst du! Und du solltest damit aufhören.

Gut, wenn du mir hilfst.

Das mach ich doch…auch ohne Druck oder etwas anderes.

Ich weiß.

Schön, dass wir das geklärt haben.

4.12.05 18:49, kommentieren
„Das Recht hassen zu dürfen!“


He, du aufgescheuchtes Huhn, was ist los mit Dir?

Mit mir?

Ist sonst noch Jemand hier?

Nein. Oder doch? Ich kann es nicht sagen.

Warum denn nicht?

Weil ich es nicht weiß.

Siehst du denn Jemanden hier?

Nein, aber bin ich darum allein? Du bist auch hier und ich kann dich nicht sehen.

Da hast du Recht. Aber was ist los mit dir? Willst du reden?

Ja, das möchte ich, denn ich habe den Verdacht, dass ich sonst noch verrückt werde.

Was ist denn los?

Ich weiß nicht so recht. Alles und auch Nichts.

Das mag ich nicht glauben. Erzähle es mir, dann kann ich dich bestimmt besser verstehen.



Ich werde verfolgt.

Von wem?

Es muss heißen, von was?

Warum?

Ich werde nicht von einer Person verfolgt.

Sondern?

Von Erinnerungen.

Aber nicht von Guten. Habe ich Recht?

Ja, du hast Recht.

Was sind das für welche?

Aus meiner Vergangenheit.

Und sie knabbern an dir?

Ja, so könnte man es beschreiben.

Was passiert denn?

Ich hörte schon zwei Mal ein Baby schreien.

Das ist doch nichts Außergewöhnliches.

Nein, aber ich habe in einen leeren Kinderwagen gesehen und ich habe ein Baby gesehen, was nicht da war. Verstehst du? Der Wagen war leer und ich hörte und sah ein Baby.

Das ist bedenklich.

Das Bedenkliche kommt noch. Ich sah in den Wagen und sah das Baby und es hatte kein Gesicht.

Das kennst du doch, nicht wahr?

Was meinst du?

Aus deinen Alpträumen.

Ja, woher weißt du das?

Frag doch nicht immer, hast du vergessen, dass ich ein Teil von Dir bin?

Ja, das habe ich.

Nicht so schlimm.

Aber dieser Abschnitt ist doch schon lange her. Ich kann diese Erinnerungen nicht mehr ertragen.

Wie lange denn noch?

Wie lange soll ich mich daran erinnern müssen?

Wie lange soll ich diese Schuldgefühle noch mit mir herumtragen?

Wie lange denn noch?

Ich will das nicht mehr!

Ich will, dass es aufhört!

Mach, dass es aufhört!

Das kann ich nicht.

Aber wer denn sonst?

Nur DU kannst es!

Ich weiß aber nicht wie.

Beruhige dich und wisch dir die Tränen weg.



Erinnerungen sind ein Teil von einem selbst. Man kann sie nicht einfach löschen. Auch wenn man es gerne möchte. Und in deinem Fall, da verstehe ich das. Aber das geht nicht. Man sollte versuchen mit ihnen zu leben. Aber in Frieden.

Wie kann ich in Frieden leben, wenn ich einfach über ein Leben bestimmt habe?

Wie meinst du das?

Ich konnte doch dieses Kind nicht bekommen!

Nein, ich wollte dieses Kind nicht bekommen. Ich war geschockt.

Ich war noch nicht einmal über die Vergewaltigung hinweg.

Dann die nächste-innerliche Vergewaltigung.

Ein Kind!

Ich weiß. Bleib ruhig und atme erst einmal aus.



Ich liebe Kinder, aber ich konnte das nicht.

Es durfte nicht sein.

Ich hätte es nicht ertragen könne.

Ich hätte es gehasst. In mir und wenn es geboren worden wäre.

Hat man nicht das Recht geliebt zu werden?

Ja, das hat man und du hast auch das Recht Hassen zu dürfen!

Aber verstehst du nicht? Ich habe über Leben und Tot bestimmt. Ich bin doch nicht Gott!

Und das tut dir weh?

Ja.

Was genau?

Ich habe diesem Kind keine Chance gegeben. Sollte nicht jeder eine Chance bekommen?

Hat man dir denn eine Chance gegeben?

Wie meinst du das?

Das Kind wäre nie entstanden, wenn du nicht vergewaltigt worden wärst. Stimmt das nicht?

Aber es war da und ich wollte es nicht.

Und du meinst, dass du Unrecht getan hast?

Ja.

Denkst du auch an dich? War es Rechtens, dass man dir das angetan hat?

Nein, das war es nicht, aber…

Nun sei still und besinne dich, was du sagtest: Es war nicht Rechtens!

Du musstest und musst mit den Folgen leben.

Du hattest dich entschieden und es war nicht leicht, ich erinnere mich noch daran.

Du hattest dich gegen das Kind entschieden, aber für das Leben.

Für dein Leben!

Aber was ist das für ein Leben?

Ein lebenswertes, findest du nicht?

Ich weiß es nicht so genau.

Dann sag ich es Dir! Es ist so.

Was ist daran denn lebenswert?

Deine Kinder, ist das nicht ein Grund?

Du bist nicht allein, genieß es und sei Stolz auf das Erreichte!

Ich habe Angst, Sorgen und ich fühle mich allein, Kasper

Du bist nicht allein, du hast deine Familie.

Ja, das stimmt, aber es ist diese innere Leere, die ich verspüre.

Was ist denn damit?

Ich kann es nicht beschreiben.

Versuche es doch einmal.

Ich versuche es ja.

Nun, dann los und keine Ausreden.

Ich und Ausreden?

Ach, lass das und fange an.

Du kennst ja die Geschichte mit meinem Sohn.

Ja, die kenne ich und ich bin stolz auf dich.

Ich auch, Kasper. Es ist ein gutes Gefühl.

Das glaube ich und warum baust du darauf nicht weiter auf?

Wie soll ich das denn?

Die anderen Dinge genau so anfangen, wie du es bei deinem Sohn gemacht hast.

Es kann so einfach sein, das weiß ich, aber irgendwie schaffe ich das nicht.

Warum denn nicht? Was ist denn anders?

Ich weiß es nicht.

Woher willst du es denn wissen, dass es nichts wird.

Stell mir doch nicht immer so doofe Fragen.

Mach ich doch gar nicht.

Doch, das machst du und das macht mich verrückt.

Macht es dich verrückt oder ist es dir unangenehm?

Es stört mich, das ist alles.

He, sei doch nicht so böse zu mir.

Bin ich nicht. Es nervt. Du nervst.

Ich kann ja gehen!

Mach doch!

Ok! Wir sehen uns.

Bleib doch, Kasper!

Dann erzähle.

Gut.



Zuerst ist das Alleinsein. Ja, ich bin nicht wirklich allein, das weiß ich auch und du hast Recht Kasper, aber ich fühle mich so. Ich möchte gerne eine zweite Hälfte. Aber nicht nur eine Hälfte, es soll meine sein.

Verstehst du das?

Du meinst wie…

Sehen, auch wenn man blind ist?

Hören, auch wenn man taub ist?

Fühlen, wenn man kein Gefühl hat?

Sprechen ohne Worte zu benutzen?

Ja, das genau meine ich.

Das gibt es nicht.

Ich weiß…leider.

Aber es gibt doch andere schöne Dinge.

Nenne mir doch welche.

Jemanden zum reden haben, sich bei demjenigen ausweinen können, sich trösten zu lassen.

Ja, aber das reicht mir nicht, ich habe es momentan nicht und will es so nicht, es ist nicht das Gleiche.

Was willst du denn?

Ich möchte einen „Zauberer“.

Wie meinst du das?

Na ja, einen der alles erahnt. Und lach nicht, du hast mich gefragt, was ich möchte.

Ich lache doch gar nicht.

Es klingt utopisch und den Menschen gibt es nicht, das ist mir schon klar, aber es wäre schön, wenn.

Wäre, wenn…He, wach auf!

Ich will aber nicht, vielleicht ist das der Grund, warum ich nicht lieben kann.



Ich fühle mich, als wenn ich nicht vollkommen bin. Mir fehlt ein Teil, so kommt es mir vor.

Darum fühle ich mich wohl auch allein. Ein Teil, von mir, wurde mir genommen und nun möchte ich es wiederhaben. Ist es denn so schwer?

Es ist nicht schwer, du machst es dir schwer.

Glaubst du?

Bestimmt sogar.

Wer soll den diese Leere ausfüllen und mit was soll sie ausgefüllt werden, wenn nicht mit einem Menschen?

Nimm dich als Teil eines Ganzen.

Das tu ich doch.

Ja, du nennest aber immer nur 50%. Wer bestimmt denn die? DU!

Ja.

Dann fange doch klein an, nimm an, dass es nicht 50% sind sondern 10%, die fehlen.

Das ist nicht viel. Verstehst du, was ich damit sagen will?

Ja, ich verstehe das. Aber…

Kein Aber, alles braucht seine Zeit.

Die Erkenntnis, das Leben(hat seine bestimmte Zeit), verschiedene Dinge und auch der Mensch.

Grade Menschen brauchen Zeit.

Und du ganz besonders. Gib sie dir und sei auch mal zufrieden!

Sonntag, 4. Dezember 2005

Bei mir bist du sicher, nun weine!

Hallo Kasper!

Hallo, meine Liebe. Wir haben ja schon lange nicht, mehr miteinander geredet.

Du hast Recht, das merkte ich auch.

Du hast Sorgen, ich sehe es dir an.

Und du hast wie immer Recht, Kasper!

Magst du mir erzählen, was es ist, was dich beschäftigt, dich quält, dich bewegt?

Würde ich gerne, aber ich weiß gar nicht, wo ich Anfangen soll.

Komm doch erst einmal zur Ruhe, wenn du dann bereit bist, fang an. Lass dir Zeit, denn die habe ich und nur für dich.

Das ist lieb von dir und ich danke dir.

Nicht danken, ist doch selbstverständlich.

Finde ich gar nicht.

Lassen wir das, fang an, wenn du bereit bist und nicht ablenken.



Zuerst muss ich dir von meiner Angst erzählen.

Was ängstigt dich denn?

Ich habe Angst vor dem Tot.

Was ist mit dir?

Es geht nicht um mich, Kasper. Darum habe ich ja Angst.

Um wen geht es denn?

Um einen sehr lieben Menschen.

Erzähle mir von ihm.

Was soll ich da schon erzählen. Er ist ein wundervoller Mann. Wir stehen im ständigen Kontakt und erzählen uns Dinge und interessieren uns für das Leben des Anderen. Er wohnt nicht hier, darum schreiben und telefonierten wir immer regelmäßig.

Das ist schön zu hören, dass ihr ein tolles Verhältnis zu einander habt.

Ja und in der letzten Zeit kam nichts mehr von ihm. Gut, dachte ich, er ist bestimmt wieder viel unterwegs, manchmal auch im Ausland und darum wird er grade keine Zeit für mich haben. Er meldet sich immer, wenn er Zeit hat. Regelmäßig bekam er auch Nachrichten von mir und ich weiß, dass er auch diese Blogseite kennt und sich da ab und an informiert. Aber seit längerer Zeit kam nichts. Nicht einmal eine SMS, für die er sonst immer Zeit hatte. Es musste etwas geschehen sein. Aber nie bekam ich eine Antwort. Keine Mail, keinen Anruf und nicht einmal eine kleine SMS.

Beruhig dich doch erst einmal, die Herz schlägt ja wie wild und deine Augen füllen sich mit Tränen.

Ich kann nicht mehr. Und ich will auch nicht mehr.

He, bleib doch mal ganz ruhig. Komm zu mir und weine dich aus.

Ja, so ist es gut. Bei mir bist du sicher.

Weine!



Es geht wieder.

Gestern bekam ich dann einen Anruf. Seine Mutter war am Telefon. Ich kannte sie natürlich nicht, woher denn auch. Sie teilte mir mit, dass „R.“ lange Zeit im Koma war. Er wurde beatmet, ernährt und am Leben erhalten, mit allen Maschinen, die es können. Dann sei er erwacht. Aber er ist gelähmt, ans Bett gefesselt und bei klarem Verstand. Er wies seine Mutter an, dass sie mir Bescheid geben solle.

Das ist doch schön. Er hat dich nicht vergessen, siehst du. Du bedeutest ihm etwas. Eure Freundschaft bedeutet ihm etwas.

Ja, ich weiß und das ist es auch, was ich so schrecklich finde. Ich kann ihm nicht helfen. Ich kann es nicht.

Wie solltest du das auch können. Du bist kein Arzt.

Das weiß ich auch und ich fühle mich so hilflos.

Das kann ich verstehen.

Wenn ich könnte, dann würde ich ihm gerne ein paar Lebensjahre von mir geben.

Das kannst du nicht und du weißt es.

Ja, aber ich würde gern.

Mach es dir doch nicht so schwer.

Aber warum denn nicht?

Du kannst doch nichts dafür.

Das behaupte ich doch auch gar nicht.

Und was ist es denn?

Ich sitze hier und mir geht es doch gut. Oder etwa nicht?

Die Frage kannst du dir nur selbst beantworten.

Aber was mach ich? Ich jammere und jammere. Esse nicht, schlafe nicht, nehme Pillen und habe immer etwas zu meckern. Aber ihm geht es wirklich schlecht.

Was willst du damit sagen?

Ich bin so undankbar.

Nein, das bist du nicht.

Aber was ist denn das mit mir?

Du hast es auch nicht grade leicht. Unterschätze das nicht immer.

Das klingt nach „R.“, der sagte auch immer so etwas.

Und du hast dir nichts vor zu werfen! Du bist nicht Schuld und du kannst nichts machen.

Kann ich das nicht?

Nein.

Aber ich bin nicht da für ihn.

Er hat Mutter und Vater, die sich um ihn kümmern.

Ja, aber sie sind schon ziemlich alt, denn „R.“ ist ja auch kein Jüngling mehr.

Was hat das Alter mit dir zu tun?

Nichts, aber wenn sie das alles nicht schaffen.

Könntest du das denn?

Ich weiß es nicht.

Du weißt es. Hast du nicht genug zu tun? Mit den Kindern und deinem Leben?

Ja, habe ich, aber jetzt bin ich hier und mache nichts.

Weil du nichts machen kannst.

Kann? Glaubst du das wirklich?

Nein, ich weiß es.

Woher?

Was solltest du tun? Du hast deine Kinder, die dich brauchen, einen Job, denn du musst Geld für Euch verdienen. Dann deine eigenen Probleme.

Aber ist das nicht egoistisch?

Was denn?

Ich kümmere mich nicht um ihn.

Du machst es nicht, weil du es nicht kannst. Du hast keine Möglichkeit. Du kannst nicht deine Sachen packen und zu ihm fliegen. Das geht nicht. Sei realistisch! Und du machst dir Sorgen um ihn, das ist etwas.

Was soll ich denn sonst machen?

Werde stark und warte auf weitere Informationen, die dir seine Mutter zukommen lässt.

Und wenn sie es vergisst? Wenn sie mich vergisst?

Wie könnte sie das, erinnerst du dich, was du mir am Anfang sagtest? Er bat seine Mutter dich zu benachrichtigen! Er wird dich nicht vergessen! Aber auch er braucht seien Zeit für sich.

Bin ich zu ungeduldig?

Nein, du machst dir Sorgen. Und dafür habe ich dich lieb.

Was sagst du da?

Ich habe dich lieb, weil du so bist, wie du bist. Du machst dir mehr Sorgen um alles andere und um alle Andere. Hast schlechte Gewissen bei Sachen, für die du nichts kannst und du willst helfen.

Toll, das hilft mir nicht weiter.

Sollte es aber.

Warum?

Weil es dich weiterbringt.

Ich verstehe das nicht.

Denke mal darüber nach. Es wird dich verändern.

Das hat es schon, liege ich da richtig?



….der Kasper lächelt und nickt.

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